Ja geht denn das?

In meinem heutigen Beitrag möchte ich euch erzählen, warum es funktioniert, ein Kinderbuch zu schreiben und zu zeichnen, obwohl man selbst keine Kinder hat. 

Das setzt natürlich voraus, dass man sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Mir war es von Anfang an wichtig, möglichst viele Perspektiven in das Projekt mit einfließen zu lassen: 

1. Perspektivenwechsel

 

Die wohl wichtigste Erfahrungsquelle war und bin ich selbst. Ich habe zwar keine eigenen Kinder, aber ich war selbst einmal ein Kind und habe meine Erfahrungen mit Büchern gesammelt. "Die kleine Raupe Nimmersatt" habe ich bspw. vergöttert. Ich kann mich nach fast 30 Jahren immer noch daran erinnern, welch ein Erlebnis es war, dieses Buch zu lesen. Immer und immer wieder. 

 

Ich stelle mir auch heute, wenn ich schreibe und zeichne, immer wieder die Frage: "Würde mir das gefallen, wenn ich ein Kind wäre?"

 

Besonders kritische  Menschen kommen jetzt vielleicht mit dem Argument "Ja, aber das war früher einmal, das kann man doch mit heute gar nicht mehr vergleichen..." Das trifft vielleicht auf technische Entwicklungen zu, aber ich denke, bei Kinderbüchern sieht die Sache anders aus. Klar, die Aufmachungen von Kinderbüchern sind heutzutage "pompöser", weil absatzfördernder. Aber die Themen, die sie behandeln, sind nach wie vor gleich.

 

Geh mal in eine Buchhandlung und sag, du möchtest ein Kinderbuch, weißt aber nicht welches. Die Verkäuferin wird dir mit Sicherheit mindestens einen Klassiker wie "Die kleine Raupe Nimmersatt", "Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab" oder "Frederic" empfehlen. 

2. Marktanalyse

 

Ich habe ein paar Stündchen in den Kinderbuchabteilungen diverser Buchhandlungen verbracht und mir zur Orientierung einmal angesehen, was die Konkurrenz so produziert: Kleine, große, dicke, dünne, liebliche und gruselige Bücher, Mädchen-Bücher, Jungs-Bücher, lustige Bücher, traurige Bücher... Hinzu kam eine intensive Online-Recherche. Das Ergebnis: Eine schier nicht enden wollende Fülle an kunterbuntem "Material". Aber ich habe bisher kein deutschsprachiges Kinderbuch für die Altersgruppe 4+ gefunden, das nur mit drei Farben auskommt. ;-)

 

Was mir noch aufgefallen ist, je kleiner die Leser, umso größer müssen scheinbar die Bücher sein. So ein kleines Kind muss sich vorkommen, als würden wir Erwachsene die "FAZ" oder "Die Welt" lesen. 

3. Beobachtung

 

Ganz nebenbei habe ich die Zeit in den Buchhandlungen genutzt, um mir das Verhalten der "Besucher" anzusehen. Zuerst dachte ich, das hilft mir nicht weiter. Überraschenderweise waren nämlich immer nur sehr wenige Kinder anwesend. Und die haben zum Großteil im Kinderwagen geschlafen oder sind in der Spielecke gesessen. Zumindest weiß ich jetzt aber, wer die Zielgruppe von Kinderbüchern in Buchhandlungen ist. :-) 

4. Befragung

 

Der aktive Teil der Recherche. Wenn man von einem Thema wenig Ahnung hat, dann muss man jemanden fragen, der sich damit auskennt. 

 

Da habe ich ganz klassisch bei den Kindern begonnen. Ich habe ihnen das Buch gezeigt bzw. auf die Berichte der Eltern vertraut. Verstehen sie, was ich da zeichne? Bleiben sie sitzen, wenn man ihnen die Geschichte vorliest? Denken sie die Geschichte weiter? Stellen sie Fragen? Das lief schon mal nicht schlecht. 

 

Hinzu kamen dann noch die Erfahrungswerte von vielen Eltern, Tanten, Onkeln, Großeltern, Freunden und Bekannten. Was macht ein gutes Kinderbuch aus? Welche Kinderbücher bleiben in Erinnerung? Wie viel kann man einem Kind in einem gewissen Alter zumuten?

 

Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle den netten Damen in den Kinderbuchabteilungen aussprechen. Sie wussten Antworten auf fast alle Fragen und waren, wenn auch unbewusst, sehr hilfreich: Ab wann zerreißt ein Kind Bücher nicht mehr? Ab welchem Alter verstehen Kinder Reime? Wie Umfangreich soll/muss ein Buch sein? Und und und. 

Ja, es geht. 

 

Um Kinderbücher zu schreiben und zu zeichnen, muss man keineswegs eigene Kinder haben. Wichtig ist, dass man ein Gespür für die Leser und ihre Bedürfnisse hat. Und vielleicht ist man als kinderloser Kinderbuchautor ja unvoreingenommener und hat eher das große Ganze im Blick, als Mütter/Väter, die über etwas schreiben, was vorrangig dem eigenen Kind gefällt. 

 

Ob es sich verkauft, ist eine andere Geschichte. :-)

 

PS: In meinem nächsten Beitrag erzähle ich euch, was für mich ein gutes Kinderbuch ausmacht und welche Ansprüche ich an mein Buch gestellt habe. 

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